Ganz nah am User: Authentische Einblicke in Nutzungssituationen

Tagebuchstudie
Tagebuchstudie

Die Tagebuchstudie

Bei der Entwicklung neuer Produkte orientieren sich Unternehmen häufig an bestehenden Nutzungsproblemen. Das neue Produkt soll diese lindern und dadurch auf dem Markt erfolgreich sein.

Aber welche Pain Points hat meine Zielgruppe überhaupt?

Eine geeignete Möglichkeit, um möglichst viele und neue Insights aus dem Nutzeralltag zu generieren, ist eine Tagebuchstudie.

Was genau ist eine Tagebuchstudie?

Die  Tagebuchstudie ist eine Sonderform der Beobachtung. Eine Beobachtung kann im Beisein eines Beobachters durchgeführt werden (Fremdbeobachtung) oder ohne einen direkten Beobachter stattfinden (Selbstbeobachtung), wie es bei der Tagebuchstudie der Fall ist. Eine weitere Form der Selbstbeobachtung sind so genannte Cultural Probes. Während die Teilnehmenden einer Tagebuchstudie schriftlich aus ihrem Alltag berichten und auf gestellte Aufgaben antworten, handelt es sich bei Cultural Probes um Abbildungen des Erlebten oder Gedachten, z.B. in Form von Fotos, Videos, Skizzen etc.

Was ist das Gute daran?

Durch diesen sehr explorativen Ansatz kann eine große Menge an Beobachtungen gesammelt werden. In der Regel werden Tagebuchstudien über einen längeren Zeitraum hinweg durchgeführt (ca. 1-3 Wochen). Außerdem entstammen die gewonnenen Erkenntnisse dem direkten Nutzungskontext, ohne dass ein Beobachter eine Situation durch sein Beisein beeinflusst. Dennoch stellt natürlich auch allein der Akt des Tagebuchführens einen Eingriff dar.

Der Vorteil von Tagebuchstudien und auch Cultural Probes ist jedoch, dass sich die Testpersonen über einen längeren Zeitraum mit einem Thema beschäftigen und so mehr Themen ins Bewusstsein gerufen werden als beispielsweise in einem einstündigen Interview.

Wie führt man eine Tagebuchstudie durch?

In der heutigen Markt- und User-Forschung überwiegen digitale Kanäle wie E-Mails, Text Messages, Audio-/Video-Nachrichten oder auch regelmäßige Online-Befragungen, um sich mit den Probanden während der Selbstbeobachtung auszutauschen. Wir bei Facit Digital haben zuletzt mehrere Tagebuchstudien mit Hilfe von WhatsApp durchgeführt.

Digitale Kanäle haben den Vorteil, dass man schon während der Feldphase mit der Analyse beginnen kann. Zudem kann das Forscher-Team besser eingreifen und beispielsweise weniger engagierte Teilnehmer motivieren.

Es gibt auch zahlreiche Spezial-Tools, beispielsweise von Kernwertdscout oder Indeemo. Diese helfen bei der Durchführung, Dokumentation und Auswertung solcher Studien. Je nach Tool lassen sich in einem Dashboard beispielsweise die Teilnehmenden verwalten und Aufgaben gezielt einstreuen. Manche Tools übernehmen auch die Transkription von Sprach- und Videobeiträgen.

Was gilt es zu beachten?

Tagebuchstudien sind sowohl auf Forscher- als auch auf Probanden-Seite verhältnismäßig zeitintensiv. Daher gilt es schon bei der Rekrutierung darauf zu achten, den Scope der Studie und die Erwartungen an die Teilnehmenden klar zu kommunizieren. Auch nach der Auswahl geeigneter Personen, besteht die Herausforderung, die Motivation über einen längeren Zeitraum hinweg aufrecht zu erhalten. Dies kann man einerseits durch etwas höhere Incentives erreichen. Auch eine gestückelte Auszahlung nach bestimmten Meilensteinen kann hilfreich sein. Andererseits ist die persönliche Kommunikation während der Testphase entscheidend: Zeitnahes Antworten auf Fragen, häufiges Loben, genauso wie das Animieren zu weiteren Beiträgen kann die Qualität der Ergebnisse stark erhöhen.

Wie bei den meisten Methoden ist auch bei Tagebuchstudien die Vorbereitung das A und O. Es ist empfehlenswert, Instruktionen schon im Vorfeld der Durchführung auszuformulieren und in einem genauen Zeitplan vorzuplanen. So können die Formulierungen einfach kopiert und an die Teilnehmer versendet werden. Auch Textbausteine, die es ermöglichen, spezieller auf einzelne Teilnehmer einzugehen, können vorbereitet werden.

Wie eingangs erwähnt, können die so generierten Insights als Basis für Produktideen fungieren. Tagebuchstudien sind auch als Vorbereitung für besonders intensive Fokusgruppen oder Tiefeninterviews geeignet, weil Probanden sich ausgiebig mit einem Thema auseinandersetzen. In vielen Fällen werden die Erkenntnisse aus Tagebuchstudien (Nutzungsmotive, Pain Points etc.) anschließend z.B. mit Hilfe von repräsentativen Onlinebefragungen quantitativ validiert.

Michael Wörmann

Theresa Amberger

Als studierte Kommunikationswissenschaftlerin stellt Theresa viele Fragen und geht den Dingen gerne auf den Grund, so auch für die Blog-Reihe „Inside FaDi“. Im UX Consulting bei Facit Digital kann sie diese Leidenschaft mit ihrem Interesse an digitalen Trends und technologischen Neuerungen optimal vereinen.